Schaden Nasentropfen einem Fötus?

Bei Medikamenten in der Schwangerschaft ist die Angst groß. Surft man in Internetforen für werdende Mütter, ist klar: Medikamente, selbst harmlose Nasensprays, sorgen in der Schwangerschaft nach wie vor regelrecht für Panik.

„Es ist oft sinnvoller, Erkrankungen in der Schwangerschaft suffizient zu behandeln“, sagt der Gynäkologe Prof. Dr. Martin Ulm. Er leitet seit mehr als zehn Jahren die Reproduktionstoxikologische Ambulanz im Wiener AKH. Im Interview spricht er über die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie während einer Schwangerschaft.

Warum findet sich im Beipackzettel (fast) jedes Medikaments der Satz „nicht während der Schwangerschaft einnehmen“?

Ulm: Weil man keine prospektiven Studien machen kann, um zu sehen, ob ein Medikament bei einem Fetus Fehlbildungen auslöst. Es kann immer nur retrospektive Daten zur Teratogenität (äußere Einwirkungen, die zu Fehlbildungen führen können; Anm. der Red.) geben. Die Pharmafirmen berufen sich darauf und schreiben dies – auch aus rechtlichen Gründen, um sich vor Klagen zu schützen – in den Beipackzettel.

Die Angst vor Medikamenten in der Schwangerschaft ist sehr groß – woran liegt das?

Ulm: Da wirkt der Contergan-Skandal immer noch nach. Die Angst vor Fehlbildungen aufgrund einer Medikamenteneinnahme ist extrem groß. Es ist auch richtig, während einer Schwangerschaft vorsichtig zu sein. Aber (…) es kann auch unsinnig sein, zu leiden und nichts dagegen zu tun. Wenn wir beim Beispiel Schnupfen bleiben: Es ist wesentlich klüger, einen abschwellenden Nasenspray anzuwenden, der nicht systemisch wirkt, aber zu einer Besserung führt. Bleibt die Nase dagegen verstopft, atmet die Frau durch den Mund, kann es leicht zu einer Bronchitis kommen – und die muss eventuell mit Antibiotika behandelt werden, die aber sehr wohl Auswirkungen auf das Kind haben. Daher sollte jede Frau ihre Bedenken und Ängste mit dem Arzt ihres Vertrauens besprechen.

Gab es vor Contergan schon ähnliche Katastrophen?

Ulm: Nein, zumindest ist darüber nichts bekannt. Der Contergan-Skandal bildete sicher einen Wendepunkt in der Pharmakologie. Mit diesem Medikament fing eigentlich die Pharmaforschung erst so richtig an. Die „Nachwehen“ der Contergan-Katastrophe führten letztlich zu strengsten Zulassungsregeln für neue Medikamente und leiteten so eine gänzlich neue Phase in der Medikamentenentwicklung ein. Und das war gut so.

Gerade weil der Beginn der neuzeitlichen Medikamentenforschung so katastrophal war, ist klar geworden: Je besser ein Medikament ausgetestet ist, desto bessere Entscheidungen kann ich danach treffen. Was allerdings immer im Dunkeln bleiben wird, sind Wechselwirkungen, die nie auszutesten und nicht abzuschätzen sind. Deshalb ist es für den behandelnden Arzt auch sehr wichtig, möglicherweise eingenommene Medikamente genau abzufragen, um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten.

Medikamente in der Schwangerschaft – was geht, was nicht?

Ulm: Für jede Erkrankung in der Schwangerschaft gibt es geeignete Medikamente. Wenn eine Patientin eine Dauertherapie braucht, ist es sinnvoll, vor Eintreten einer Schwangerschaft die optimale Therapie zu besprechen. Prinzipiell gilt: Eine Monotherapie ist besser als eine Kombinationstherapie. Leider klappt das mit der Planung oft nicht – dann heißt es: Ich bin schwanger und habe Medikamente eingenommen – was tun?

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