Weinstein – kleine Kristalle tummeln sich in Weinflasche und Glas

Weinstein, das sind kleine Kristalle am Boden von Weinflasche oder Weinglas. Aber woher kommt Weinstein und was sagt er über die Qualität des Weines aus?

Die kleinen, glasharten Kristalle am Boden ihres Weinglases oder in der Weinflasche haben Sie sicher schon oft entdeckt. Viele Menschen glauben, dass es sich hierbei um Absonderungen des Weins handelt, die ihn ungenießbar, zumindest aber minderwertig machen.

Trotz Weinstein: Ein harmonischer Wein

Weit gefehlt, denn die farblose Weinausscheidung, Weinstein genannt, ist ein Zeichen dafür, dass der Reifeprozess des Weines in der Flasche abgeschlossen ist und ein harmonischer Wein entstanden ist. Für Weinkenner sind diese fein schimmernden, kristallinen Bodenrückstände ein Qualitätsmerkmal, denn sie zeigen, dass der Wein naturgemäß und schonend behandelt wurde und auch nach seiner Abfüllung in Flaschen „noch lebt“.

Was ist eigentlich Weinstein?

Chemisch gesehen ist Weinstein das (saure) Kaliumsalz der Weinsäure, korrekt als Kaliumhydrogentartrat bezeichnet. Weinsäure findet sich bereits in beachtlichen Mengen in den Trauben und begleitet den Wein vom Traubenmost bis zu seiner Flaschenabfüllung. Die Säure leistet einen erheblichen Beitrag zum Geschmack des Weins. Da Kaliumsalz sich nur sehr schwer in Wasser lösen lässt – nur etwa 5 g/l bei Raumtemperatur, bei niedrigeren Temperaturen noch weniger – und die Löslichkeit in verdünntem Alkohol, in diesem Fall dem Wein, noch geringer ist, fällt während der Gärung und Entwicklung ein Teil der Weinsäure als kristalliner Weinstein aus, vor allem, wenn der Wein bei Temperaturen unter 8 °C, also recht kühl, gelagert wird. Der Geschmack des Weins wird mit dem Abbau der Weinsäure runder, was vor allem an alten Weinen sehr geschätzt wird. Viele Kellermeister bemühen sich neuerdings, vor allem um Beanstandungen durch Kunden zu vermeiden, durch starke Kühlung die Weinsteinausscheidung bereits vor der Abfüllung in die Weinflaschen einzuleiten. Diese strapaziöse Behandlung wird von Weinliebhabern jedoch als unnatürlich abgelehnt.

Schlieren im Wein

Wenn Ihnen in ein halb oder fast geleertes Glas Wein nachgeschenkt wird, dann können Sie manchmal im Wein für einige Sekunden Schlieren sehen, die wie feine, flimmernde Wellenlinien in der Flüssigkeit erscheinen. Woher kommt das? Entweder wurde Ihnen kühler Wein eingegossen, der sich nun mit dem bereits vorhandenen, wärmeren Getränk mischt. Die beiden Sorten verhalten sich nämlich optisch leicht unterschiedlich: Von außen auftreffende Lichtstrahlen werden unterschiedlich gebrochen, so dass durch die veränderte Lichtführung hellere und dunklere Streifen entstehen. Die Schlieren bilden also die Mischungsverhältnisse im Glas optisch ab.

Vielleicht wurde Ihnen aber auch ein Wein mit anderen Fruchtzucker- oder Alkoholwerten eingegossen, der sich optisch ebenfalls unterschiedlich verhält: Je süßer ein Wein ist, desto größer ist auch seine optische Dichte. Lichtstrahlen werden dann stärker gebrochen.

Tränen am Glasrand?

Professionelle Weintrinker (und solche, die es werden wollen) schwenken Ihr Glas, bevor Sie den Wein probieren. Denn beim Schwenken lassen sich nicht nur viele Aroma- und Geruchsstoffe des Weins intensiver erfahren, auch das Fließverhalten lässt sich erkunden: Einige Weine bilden beim Zurückfließen in den unteren Teil des Weinglases kleine Rinnsale und Tränen an der Glasinnenwand.

Was kann man aus solchen Tränen am Glasrand schließen? Bei der alkoholischen Gärung entsteht nicht nur Ethanol, der Trinkalkohol, sondern auch in geringen Mengen höherwertigere Alkohole, die mehrere so genannte Hydroxylgruppen (OH-Verbindungen) in ihrem Molekül aufweisen. Darunter ist auch Glycerin, ein dreiwertiger Alkohol. Vor allem schwere und alkoholreiche Weine können 5- 10 g Glycerin pro Liter enthalten. Dies ist durchaus erwünscht, denn Glycerin trägt zu einem vollmundigen Geschmack im Gaumen bei. Einerseits ist dieser leicht ölig anmutende Alkohol leicht süßlich, die deutsche Bezeichnung ist recht treffend „Ölsüß“. Und zum anderen verbleibt Glycerin wegen seiner hohen Zähigkeit länger auf den Schleimhäuten der Zunge und überträgt dabei Geschmacksstoffe. Solche Weine werden als sehr nachhaltig empfunden.

Da die Viskosität von Glycerin rund 1.500-mal größer als die von Wasser ist, haben schon kleine Mengen des schweren Alkohols Einfluss auf die Fließeigenschaften des Weins. Und genau dieses wird durch das verhaltene Zurückfließen an der inneren Glaswand und durch verbleibende kleine Glycerintränchen dokumentiert – ein Zeichen großer Weine.

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