Hochschulabsolventen fürchten Assessment Center

Assessment Center – darunter versteht man eine über einen oder mehrere Tage dauernde Veranstaltung, die der Personalauswahl dient.

Ein beliebtes Werkzeug, mit dem Unternehmen Hochschulabsolventen zu erreichen suchen, sind Assessment Center (AC). Das Prinzip solcher Auswahlverfahren taucht auch unter anderen Bezeichnungen wie Vorstellungsgespräch mit Übungsrunden und Gruppenauswahlverfahren auf. Verbreitet ist diese Form von Gruppeninterview vor allem bei Hochschulabgängern. Aber auch bei jenen, die einen beruflichen Aufstieg anstreben, wird das Auswahlverfahren angewendet.

ACs gibt es bereits seit fast 90 Jahren

Erfunden wurde das Assessment Center nicht wie der englische Fachterminus nahelegt in den USA oder England, sondern in Deutschland: Die Reichswehr setzte das Verfahren bereits in den 1920er Jahren ein, um geeignete Offiziersanwärter für gehobene Positionen auszuwählen. Im Zweiten Weltkrieg übernahmen die Westalliierten das Verfahren und auch die Bundeswehr bedient sich noch heute seiner. Seit Anfang der 1970er Jahre sind Assessment Center ein fester Bestandteil der deutschen Privatwirtschaft und dienen bevorzugt der Auswahl von Führungskräften in der Wirtschaft.

Das geeignete Stellenprofil

Ziel der ACs ist, den am besten geeigneten Bewerber auszufiltern, denn gerade bei hochqualifizierten Jobs sollten die Stelle und der Bewerber optimal zueinander passen. Das gilt nicht nur für die fachliche Qualifikation, sondern auch für die gesamte Arbeits- und Vorgehensweise eines Menschen bei der Lösung von Problemen. Dabei ist zunächst zweitrangig, ob ein Bewerber eher denkorientiert oder gefühlsgeleitet agiert. Entscheidend ist, ob diese Orientierung besser oder weniger gut zu einem bestimmten Stellenprofil passt.

Überblick über das Potential der Kandidaten

Das Assessment Center ist fast nie alleiniges Auswahlinstrument, sondern wird stets in Kombination mit anderen Mitteln angewendet. Den Assessoren (Beobachter im AC) geht es vor allem darum, einen möglichst weitreichenden Überblick über das Potential der Kandidaten zu erhalten. Eine häufig bestätigte Praxiserfahrung ist, dass gute Prüfungsnoten nicht automatisch eine gute Visitenkarte für einen bestimmten Job sind.

Konfrontation mit Alltagssituationen

Wie sieht also ein Assessment Center von innen aus? Zwischen zwei und zwölf Kandidaten werden in der Regel mit Alltagssituationen konfrontiert, um zu zeigen, wie sie auf bestimmte Situationen reagieren. Geprüft werden sie dabei von Mitarbeitern des Unternehmens oder auch Psychologen, die vorher den Zeitrahmen festlegen. Von einem bis zu sieben Tagen können solche Beobachtungsphasen dauern. Das Verhältnis Beobachter zu Kandidat sollte im besten Fall bei eins zu zwei liegen. Eine weitere Regel besagt: Je höher der zu besetzende Posten ist, desto kleiner werden die Gruppen in den ACs.

Unter permanenter Beobachtung

Persönlichkeit, analytische Fähigkeiten und Leistungsmotivation werden zudem in Gruppendiskussionen (ohne und mit Leitung), Rollenspielen und Postkorbübungen (beaufsichtigte Arbeitsprobe unter Zeitdruck) geprüft. Fallstudien, Background-Interviews und psychologische Testverfahren ergänzen die ACs. Weitere wichtige Kriterien für die Prüfer sind Körperhaltung, Mimik und Gestik der Bewerber. Während des Auswahlverfahrens sind die Teilnehmer permanent unter Beobachtung, selbst Kaffeepausen und das abendliche Zusammensitzen in lockerer Atmosphäre fließen in die Beurteilung der Kandidaten mit ein. Dabei wird nicht nur geprüft, zu welchen Ergebnissen die Kandidaten kommen, sondern auch, auf welchem Weg.

Geforderte Anlagen sind entscheidend

Ein Assessment Center zu planen und durchzuführen ist keine einfache Aufgabe und wird deshalb von den Firmen gerne an externe Auftragnehmer vergeben. Für den Bewerber bedeutet das AC in jedem Fall eine Menge Stress – zum Zeitunglesen bleibt wenig Zeit. Die Einladung zu solch einem Test bedeutet aber auch, dass der Bewerber die erste Hürde im Bewerbungsverfahren übersprungen hat und in die engere Auswahl genommen wurde. Doch aufgepasst: So wie im Bewerbungsgespräch nicht jede Frage erlaubt ist, sollte jeder zu einem AC eingeladene Prüfling kritisch beurteilen, was von ihm verlangt und worauf er getestet wird.

Es gibt auch Anlass zur Kritik

Denn selbst gegenüber den Veranstaltungen seriöser Adressen gibt es immer wieder Anlass zur Kritik. So billigen manche Firmen dem Verfahren eine zu hohe Zuverlässigkeit zu. Die aber ist, neueren wissenschaftlichen Studien zur Folge, nicht allzu hoch. Tatsächlich werden in vielen Verfahren jene bevorzugt, die sich selbst gut darzustellen verstehen, ohne dass dies irgendetwas Wesentliches über ihr späteres Verhalten im Beruf aussagte.

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